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Niedrige Kakaopreise und Einkommen für Kakaobäuer*innen

Wenige Konzerne dominieren die Verarbeitung von Kakao und die Produktion von Schokolade. Allein die Unternehmen Mars, Mondelēz, Nestlé, Ferrero, Hershey’s und Lindt & Sprüngli kontrollieren zusammen rund 55 Prozent des globalen Schokoladenmarktes. Der globale Nettoumsatz der Schokoladenindustrie beträgt rund 110 Milliarden US-Dollar im Jahr. Auch die wenigen großen Supermarktketten und Discounter spielen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Marktanteil bei Schokoladentafeln beträgt bei den Eigenmarken des Einzelhandels in Deutschland rund 28%.

Ungleiche Machtverteilung

Übersicht Schokoladenhersteller und Produkte
© INKOTA-netzwerk | Führende Schokoladenhersteller und ihre Produkte

Dieser Marktmacht stehen etwa 5,5 Millionen Kleinbäuerinnen und -bauern gegenüber. Für die meisten von ihnen ist der Kakaoanbau die mit Abstand wichtigste Einkommensquelle. Die Bäuerinnen und Bauern haben jedoch fast keinen Einfluss auf die Preisgestaltung. Die Preisbildung basieren auf dem globalen Angebot und wird zudem durch Handel an internationalen Rohstoffbörsen in London und New York beeinflusst.

Pro Euro des Verkaufspreises, den die Konsument*innen in Deutschland für eine Tafel Schokolade bezahlen, gehen knapp acht Cents an die Kakaobäuerinnen und -bauern. Dieser Betrag ist viel zu niedrig, um davon leben zu können. Während alle anderen Akteure in der Schokoladen-Lieferkette Gewinne erzielen, können die meisten Kakaobäuerinnen und -bauern die Kosten für Produktion und Lebensunterhalt nicht decken. Die Mehrheit der Kakaobauernfamilien lebt in Armut.

Im Umkehrschluss bedeutet die ungleiche Gewinnverteilung aber auch: Um das Einkommen der Kakaobäuerinnen und Bauern zu verdoppeln, muss sich dafür nicht auch der Preis für Schokolade verdoppeln.

Niedrige und schwankende Kakaopreise

Lange Zeit galt der Anbau von Kakao in Westafrika als Garant für ein sicheres Einkommen. Doch seit 1980 ist der Kakaopreis inflationsbereinigt um fast die Hälfte gesunken. Starke Preisschwankungen führen zu einer geringen Planungs- und Einkommenssicherheit für die Kakaobäuerinnen und -bauern. Allein von Mitte 2016 bis Ende 2017 ist der Kakaopreis um 40% gefallen. Aufgrund einer Rekordernte in der Côte d'Ivoire überstieg das Angebot an Kakaobohnen damals die Nachfrage sodass der Preis in den Keller stürzte.

Der sinkende Kakaopreis hatte dramatische Folgen in den Anbauländern. Die Bauern und Bäuerinnen erlitten massive Einkommensverluste. In der Côte d'Ivoire mussten sogar die Staatsausgaben wegen der verlorenen Exporteinnahmen um fast zehn Prozent gekürzt werden.

Preisentwicklung
© INKOTA-netzwerk

Abrupte Preisschwankungen können viele Gründe haben: Ernteausfälle durch Krankheits- oder Schädlingsbefall, ungünstige Witterungsumstände, Nachfrageeinbrüche wie zuletzt während der Corona-Pandemie, politische Unruhen in den Anbaugebieten, oder die globalen Auswirkungen wie etwa des Krieges in der Ukraine. Auch Spekulationen an den Rohstoffbörsen, mit denen gezielt Geschäfte gemacht werden, tragen zu schwankenden Kakaopreisen bei. Während die schwankenden Preise für die Kleinbäuerinnen und -bauern ein existenzielles Desaster bedeuten, können Unternehmen sich besser gegen Preisschwankungen absichern.

Was ist ein fairer Preis?

Der Preis für Kakaobohnen ist erst dann fair, wenn er ein existenzsicherndes Einkommen für die Kakaobäuerinnen und -bauern ermöglicht. Ein existenzsicherndes Einkommen muss die Grundbedürfnisse der Kakaobauernfamilien abdecken. Dazu zählen eine angemessene Unterkunft, gesunde und ausreichende Ernährung, sauberes Trinkwasser, eine angemessene Gesundheitsversorgung, Bildung, Mobilität und die Möglichkeit, Ersparnisse für Ernteausfälle oder Krankheitsfälle zu bilden. Aber auch die Investitionskosten in die Kakaoplantage müssen abgedeckt sein.

Wie hoch ein existenzsicherndes Einkommen und ein entsprechender existenzsichernder Kakaopreis sein müssen, unterscheidet sich je nach Anbauregion und wird durch viele Faktoren beeinflusst. Sowohl die Größe der Anbaufläche, als auch die Anzahl der Familienmitglieder und der Grad der Abhängigkeit vom Kakaoanbau spielen eine Rolle.

 

Elemente eines existenzsichernden Einkommens.jpg DE
© INKOTA-netzwerk
Infografik Kakaopreis 2023

Die Zertifizierungsorganisation Fairtrade hat einen Referenzpreis für existenzsichernde Einkommen berechnet. Kakaobauernfamilien in der Côte d'Ivoire, die über ausreichend große Flächen verfügen und angemessene Erträge produzieren, müssten demnach einen Ab-Hof-Preis von 2.390 US-Dollar pro Tonne Kakao bekommen. Tatsächlich liegt der Ab-Hof-Preis in der Côte d'Ivoire aktuell bei rund 1.344 US-Dollar pro Tonne (Stand: Oktober 2022). INKOTA hält den von Fairtrade berechneten Preis für noch zu gering, da er von zu hohen Ernteerträgen pro Hektar ausgeht.

Die meisten Kakaobauernfamilien leben unter der Armutsgrenze

Eine typische Kakaobauernfamilie in Ghana mit sechs Mitgliedern und bis zu vier Hektar Land verdient im Durchschnitt umgerechnet 191 US-Dollar im Monat. Existenzsichernd wäre hingegen ein Einkommen von rund 395 US-Dollar – also etwas mehr als doppelt so viel.

Noch dramatischer sieht die Situation in der Côte d'Ivoire aus: Hier müsste sich das Einkommen im Durchschnitt fast verdreifachen, um existenzsichernd zu sein.

Einkommenslücken im Kakaoanbau

Income gap korrigiert
© INKOTA-netzwerk

Anbauländer regulieren Kakaopreise

In den beiden Hauptanbauländern von Kakao, Côte d'Ivoire und Ghana, wird der Kakaopreis staatlich festgelegt. Die jeweilig zuständigen Vermarktungsplattformen legen zu Beginn der Erntezeit den garantierten Preis fest, der an die Kakaobäuerinnen und -bauern gezahlt werden muss. Sie müssen sich bei der Preisfestlegung am Weltmarktpreis orientieren. Eine Stärke dieses Modells ist, dass es den Bäuerinnen und Bauern mehr Stabilität bietet und Planungssicherheit ermöglicht. Um den staatlich garantierten Kakaopreis zu erhöhen, verlangen beide Länder seit Oktober 2020 für ihren Kakao einen Preisaufschlag von 400 US-Dollar pro Tonne: Das sogenannte "Living Income Differential", welches die Industrie zusätzlich zum Weltmarktpreis zahlen muss. Der Prozess zur Festlegung des Preises ist jedoch wenig transparent, ebenso wie die staatlichen Ausgaben und Subventionen im Kakaosektor. Die Kakaobäuerinnen und -bauern haben auf beides bisher so gut wie keinen Einfluss. INKOTA unterstützt daher lokale Nichtregierungs- und Produzentenorganisationen in Ghana und der Côte d'Ivoire dabei, sich in den politischen Dialog für einen nachhaltigen und transparenteren Kakaosektor einzusetzen.

Hier könnt ihr mehr über die Arbeit der ivorischen und ghanaischen Zivilgesellschaft im Kakaosektor erfahren.

Welche Unternehmen zahlen faire Kakaopreise?

Die häufigsten Schokoladen-Siegel werden hier in einer Tabelle hinsichtlich verschiedener Nachhaltigkeitskriterien verglichen
© INKOTA-netzwerk

Auch bei als fair oder nachhaltig zertifiziertem Kakao zum Beispiel von Rainforest Alliance oder Fairtrade sieht die Situation in Westafrika nicht viel besser aus: Obwohl die Kakaobäuerinnen und -bauern zusätzliche Prämien erhalten, lebt die Mehrheit von ihnen unter der Armutsgrenze. Keines der acht größten Schokoladenunternehmen ist bereit existenzsichernde Kakaopreise zu bezahlen.

Das es auch anders geht zeigen die Unternehmen Tony’s Chocolonely, GEPA und fairafric. Sie bezahlen deutlich höhere Preise und Prämien und gelten als Vorreiter für Nachhaltigkeit im Schokoladensektor!

 

Mehr Informationen:

Schokotafel
© INKOTA-netzwerk e.V.  | Gerade einmal 8 Cent erhalten die Kakaobäuerinnen und -bauern vom Verkauf einer Tafel Schokolade. Damit können sie ihre Produktions- und Lebenshaltungskosten nicht decken. Als einzige in der Lieferkette machen sie keinen Gewinn.

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