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"Der Kakaoanbau in Westafrika ist in Gefahr"

25.05.2020
Autor*inMake Chocolate Fair!

Veränderungen in der Landnutzung sind ein großer Treiber des Klimawandels. Die Rodung tropischen Regenwaldes ist für zehn Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Auch für den Kakaoanbau werden Wälder abgeholzt. Über den Zusammenhang von Klimawandel, verschwindende Wälder und Maßnahmen zur Wiederaufforstung haben wir mit Obed Owusu-Addai von Ecocare aus Ghana gesprochen.

waldzerstoerung
© Mighty Earth

Überall auf der Welt macht sich der Klimawandel immer stärker bemerkbar. Wie wirkt er sich auf die Kakaobauern und Kakaobäuerinnen in Westafrika aus?

Für Kakaobauern und -bäuerinnen in Ghana und der Elfenbeinküste ist der globale Aspekt des Klimawandels nicht greifbar. Die meisten von ihnen konnten nicht länger als vier Jahre die Schule besuchen. Aber seit zehn Jahren nehmen auch sie die Veränderungen wahr, die sich auf lokaler Ebene ergeben.

 

Wie sehen diese Veränderungen denn genau aus?

Die Trockenzeit dauert länger, es wird immer wärmer und die Niederschläge sind – wenn sie kommen – viel heftiger. Kakaobäume, die früher bis zu 35 Jahre lang Früchte trugen, verdorren aufgrund von längeren Trockenzeiten. In manchen Kakaoanbaugebieten in der Mitte Ghanas – die früher einen Großteil des Gesamtertrags erwirtschaftet haben – sind die Erntemengen dramatisch gefallen. Die Kakaobäume entwickeln keine Früchte mehr weil die Insekten, die sie sonst immer bestäubten, verschwunden sind. Diese Gegenden sind für den Kakaoanbau nicht mehr geeignet.

Als ghanaische Zivilgesellschaft sind wir im Dialog mit den betroffenen Kakaobauernfamilien. Wir unterstützen sie dabei Maßnahmen zu ergreifen, um sich an die vor ungefähr 25 Jahren begonnene Veränderung unserer Landschaften anzupassen.

 

Was ist damals passiert?

Vor 25 Jahren waren die heutigen Kakaoanbaugebiete Mischwälder. Dies änderte sich als die großen multinationalen Konzerne und das ghanaische Agrarforschungsinstitut die sonnenliebende Variante des Kakaobaums als schnellwachsende und ertragreichere Variante großflächig einführten.

Im Gegensatz zur alten Variante – den Schattenbäumen – durften sie aber nicht unter anderen Bäumen gepflanzt werden, sondern brauchten sonnige Plätze. Also fingen Kakaobauern und -bäuerinnen an, alte Kakaobäume zu ersetzen und die anderen Bäume zu fällen, um neue Flächen zu bewirtschaften. Sie taten dies, weil größere Anbauflächen ihnen höhere Einnahmen versprachen. So hat Ghana bis auf die Nationalparks und geschützten Wälder 90 Prozent seines gesamten Urwalds verloren.

 

Was hatte das für Konsequenzen?

Mit dem Verlust unseres Waldbestands hat sich auch unser lokales Mikroklima verändert. Die Luftfeuchtigkeit ist zurückgegangen. Die Kakaobäume sind der heißen Sonne ausgesetzt. Wenn wir so weiter machen, hat der Kakaoanbau in Westafrika keine Zukunft mehr.

 

Welche Ansätze gibt es denn, um den Kakaoanbau in Westafrika zu retten?

In den Jahren 2014 und 2015 gab es eine massive Hitzewelle, der viele Kakaoplantagen zum Opfer fielen. Dies führte dazu, dass die ghanaische Regierung und die großen Kakaoaufkäufer ihre Nachhaltigkeitsinitiativen stark ausbauten. Sie alle versuchen wieder Schattenbäume in die Kakaoplantagen zu integrieren. Entweder als Teil ihrer Nachhaltigkeitsinitiativen, der Arbeit des nationalen Agrarberatungsdienstes oder im Rahmen von Bildungsprogrammen auf Dorfebene. Dafür gründeten sie 2017 auch die Cocoa and Forest Initiative.

 

Haben diese Initiativen etwas bewirkt? Konnten sie die Entwaldung stoppen?

Leider nein. Die Cocoa and Forest Initiative war eine vertane Chance. Anfangs machte es mir Hoffnung, dass Regierungen und Unternehmen Verantwortung übernahmen und gemeinsam Lösungen entwickeln wollten. Aber die Absichtserklärungen und Umsetzungsvereinbarungen wurden sehr oberflächlich und ohne Einbindung aller Akteure erstellt. Sie wurden in den Büros von IDH (einer Beratungsagentur für Wertschöpfungskettenprojekte; Anm. der Red.), der Sustainable Trade Initiative und der World Cocoa Foundation geschrieben und den lokalen Akteuren lediglich zum Abnicken vorgelegt.

So sind sie nicht umsetzbar für die Menschen in Ghana oder der Elfenbeinküste. Die Kakaobauern und -bäuerinnen hätten in die Ausarbeitung dieser Initiative stärker einbezogen werden müssen. Verhaltensveränderungen funktionieren besser mit Anreizen als mit Verboten. Die lokale Bevölkerung, die Bäume für neue Anbauflächen fällt, wurde nicht ausreichend in diesem Prozess berücksichtigt. Hier fehlt es häufig an Bewusstsein, aber vielmehr noch an Alternativen. Der Kakaoanbau und die Erweiterung der Flächen zur Ertragssteigerung ist ihre Lebensgrundlage.

Wir müssen realistische Alternativen anbieten können und nicht nur mit Strafen drohen. Weiter verkompliziert wird die Lage dadurch, dass alle natürlich gewachsenen Bäume in Ghana dem Staat gehören. Ohne schriftliche Beweise, dass sie diese Bäume selbst gepflanzt haben, riskieren sie den Verlust ihres Landrechts.

 

Wird es entwaldungsfreie Schokolade erst geben, wenn alle Wälder bereits verschwunden sind?

Auf gar keinen Fall. Es gibt bereits viele gute Ansätze, die eine Trendumkehr herbeiführen können. Zum Beispiel auf Ebene der Europäischen Union. Hier gibt es im Moment eine Entwicklung hin zu einem gesetzlichen Rahmen, um international tätige Unternehmen für die Verletzung von Sozial- und Umweltstandards in ihren Lieferketten haftbar zu machen. Das ist sehr wichtig, weil es moralisch verwerflich ist, dass in den Konsumentenländern, auf Kosten der Umwelt in Produzentenländern wie Ghana Milliardengewinne gemacht werden.

Aber auch nationale Ansätze zur Steigerung der Erträge, zur Verbesserung der Marktsituation und zur Erreichung eines existenzsichernden Einkommens sowie der Aufbau von Weiterverarbeitungskapazitäten bei uns sind wichtig. Wir brauchen eine gemeinschaftliche Debatte über den richtigen Maßnahmenmix in Produzenten- und Konsumentenländern. Zuallererst muss aber der Lebensstandard der Kakaobauernfamilien verbessert werden. Keiner der unzähligen Ansätze zur Bekämpfung von Entwaldung wird funktionieren, wenn die Kakaobäuerinnen und -bauern nicht genug Einkommen für die Ernährung ihrer Familien und die Ausbildung ihrer Kinder aus dem Kakaoanbau erwirtschaften können.

 

 

Das Interview führte Daniel Baumert im Januar 2020. Es wurde erstmals im März 2020 im Südlink 191 veröffentlich.

Obed Owusu-Addai
© (c)INKOTA | Obed Owusu-Addai ist Kampagnen-Chef bei der Umweltorganisation EcoCare, einer Partnerorganisation von INKOTA in Ghana.

Obed Owusu-Addai ist Kampagnen-Chef bei der Umweltorganisation EcoCare, einer Partnerorganisation von INKOTA in Ghana.

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